Nachlese zur Deutschen Blitz-Mannschaftsmeisterschaft 2018

Die Deutsche Mannschaftsblitzmeisterschaft 2018 fand dieses Jahr in Solingen statt. Eine Übersicht über alle Ergebnisse findet sich auf der Seite des  Veranstalters SG Solingen und ein umfangreicher Turnierbericht beim Deutschen Schachbund. Hier eine Nachlese.

Der etwas andere Titel-Hattrick

Von Hans-Peter Remmler (Fotos Ganokorn Ganser).

Wissen Sie, wo Bad Emstal/Wolfhagen liegt? Wenn Sie diese Frage mit "Nein" beantworten müssen, grämen Sie sich nicht ob der Bildungslücke: Außerhalb der Schachszene ist dieser idyllische Ort in Nordhessen wohl nur Menschen bekannt, die schon mal in Bad Ems zur Kur waren - oder die sich mit Schach im Allgemeinen und Blitzschach im Besonderen wirklich gut auskennen.

In der Turnierschachszene spielt der Verein - zumindest bisher - als Verbandsligist nur eine eher bescheidene Rolle. Im Blitzschach mutieren sie jedoch zu den "Emswölfen", so die Eigenbezeichnung auf der Vereins-Webseite.

Ausschließlich für die deutsche Blitzschach-Mannschaftsmeisterschaft lassen die Nordhessen ihre Beziehungen zu hochkarätigen russischen Schachkünstlern spielen. So traten sie am vergangenen Samstag in Solingen zum dritten Mal in Folge mit einer rein russischen Großmeisterriege an und holten, wohlgemerkt als nomineller Verbandsligist, zum dritten Mal in Folge den Titel des deutschen Blitzschach-Mannschaftsmeisters, hauchdünn vor der 1. Mannschaft des Ausrichters SG Solingen.

Die "Emswölfe"

Die GM Alexander Zubov, Pavel Ponkratov, Vladimir Onischuk, und Pavel Maletin

Die GM Alexander Zubov, Pavel Ponkratov, Vladimir Onischuk, und Pavel Maletin

Real Madrids Triumph in der Champions League war also nicht der einzige Titel-Hattrick an jenem 26. Mai 2018! Vor zwei Jahren hatten die Wolfhagener sogar mit Wladimir Kramnik einen leibhaftigen Exweltmeister aufgeboten. Der fehlte diesmal, was bei dem einen oder anderen erwartungsfrohen Spitzenmann der Amateurteams wie dem SC Böblingen leise Enttäuschung hervorrief - wann hat man sonst schon mal die Gelegenheit, eine Blitzpartie gegen Kramnik zu spielen?

Die SG Solingen hatte sich als Ausrichter viel vorgenommen und ausschließlich Topleute aus der aktuellen Bundesligamannschaft an die Bretter geschickt.0

Die Solinger Edelblitzer

Großmeister Anish Giri

Großmeister Anish Giri

Am Spitzenbrett saß kein Geringerer als Anish Giri, Holländer, Kind russisch-nepalesischer Eltern und aktuell die Nr. 9 der Weltrangliste.

SC Böblingen - SG Solingen 1 : 3

Schon in Runde 5 des Mammutprogramms durfte der SC Böblingen gegen die an Platz 1 gesetzten Solinger Edelblitzer ran.

Das Spiel beginnt

Das Spiel beginnt

BrettNameNameErgebnis
1Kuklin,Valentin-Giri,Anish0 - 1
2Ortmann,David-Harikrishna,Pentala0 - 1
3Vujic,Branimir-Predojevic,Borki0 - 1
4Tran,Thanh Kien-Smeets,Jan1 - 0

Than Kien Tran gewinnt gegen GM Smeets

GM Jan Smeets (links) gegen Than Kien Tran

GM Jan Smeets (links) gegen Than Kien Tran

An den vorderen drei Brettern ging alles den erwarteten Gang, aber Teamchef TK Tran schaffte gegen Großmeister Jan Smeets aus Holland immerhin den Ehrenpunkt, und das sogar sehr flott und überzeugend.

 

Die SG Solingen hatte übrigens nicht nur den stärksten und prominentesten Einzelspieler in ihren Reihen, man trug auch geschlossen sehr schicke, hellblaue Trikots mit originellem Foto-Logo-Aufdruck.

Modisch

Trikot der SG Solingen

Trikot der SG Solingen

Im Vergleich dazu versprühten die knallgrünen T-Shirts des Wolfshagener Russen-Quartetts eher den Charme der Baumarktwerbung.

Cool und schnell

Vor allem aber strahlten die vier Nordhessen-Russen eine stoische Ruhe aus, was zum hektischen Treiben einer Blitzschachpartie nur auf den ersten Blick nicht zu passen scheint.

Es gehört zu den vornehmsten Merkmalen eines starken Blitzschachspielers, sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. Auf dem Brett passieren unter dem ständigen Zeitdruck unweigerlich Fehler, man muss eben darauf achten, dass der Gegner gröbere Schnitzer begeht als man selbst - oder zumindest den letzten, in Anlehnung an ein uraltes Schach-Bonmot: Der vorletzte Fehler gewinnt!

Und man muss natürlich schnell sein. Für die ganze Partie hat jeder Spieler nur drei Minuten Zeit, dazu für jeden ausgeführten Zug einen Aufschlag von zwei Sekunden. Eine Partie dauert damit in den seltensten Fällen länger als zehn Minuten. Anders wären 27 Runden an einem einzigen Tag auch nicht zu bewältigen.

Der SC Böblingen

von links: Samuel Schröter, Valentin Kuklin, David Ortmann, Branimir Vujic und Than Kien Tran

von links: Samuel Schröter, Valentin Kuklin, David Ortmann, Branimir Vujic und Than Kien Tran

Der SC Böblingen hatte sich durch seinen überraschenden zweiten Platz bei der Württembergischen Meisterschaft ebenfalls für diese Großveranstaltung qualifiziert.

In der Aufstellung Valentin Kuklin, David Ortmann, Branimir Vujic, Thanh Kien Tran und Samuel Schröter konnten sich die Böblinger bei der starken Besetzung natürlich nicht übermäßig viel ausrechnen - am Ende wurde es denn auch "nur" Platz 23 von 28 Mannschaften, allerdings sind die erspielten 17:37 Mannschaftspunkte (6 Siege, 5 Unentschieden, 16 Niederlagen) und 42 Brettpunkte aller Ehren wert.

Eifrigster Punktesammler in den Reihen der Böblinger war Valentin Kuklin am Spitzenbrett mit 11,5:14,5 Punkten, dicht gefolgt von TK Tran (11:16) und David Ortmann (10,5:16,5). Knapp dahinter lag Branimir Vujic (8,5:17,5).

Und auch wenn es nur für sechs Mannschaftssiege reichte, konnte doch jeder Aktive hier und da spektakuläre Einzelerfolge gegen hochkarätige Gegnerschaft feiern.

Samuel Schröter: Remis gegen IM V. Keymer

<span style="font-size: 12px;">IM Vincent Keymer (links) gegen Samuel Schröter</span>

IM Vincent Keymer (links) gegen Samuel Schröter

Das gilt auch für Ersatzmann Samuel Schröter aus der Verbandsligamannschaft des SC BB. Er kam nur zwei Mal zum Einsatz, aber einer davon war ein Remis gegen das 13-jährige Riesentalent Vincent Keymer, Sensationssieger des extrem stark besetzten Karlsruher Grenke-Opens an Ostern und jetzt schon "Großmeister in spe".

SC Böblingen - FC Bayern München 1 : 3

BrettNameNameErgebnis
1Kuklin,Valentin-Bischoff, Klaus½ - ½
2Ortmann,David-Bezold, Michael0 - 1
3Vujic,Branimir-Stangl,Markus0 - 1
4Tran,Thanh Kien-Reich,Thomas½ - ½

Ein besonders aufregendes, fürs Blitzschach typisch chaotisches Gefecht lieferte sich Kuklin unter anderem mit Großmeister Klaus Bischoff vom FC Bayern München - auch die Bayern übrigens fast geschlossen in den bekannten roten Trikots der Fußball-Prominenz aufgelaufen.

Valentin Kuklin (links) gegen GM Klaus Bischoff

Valentin Kuklin (links) gegen GM Klaus Bischoff

Bischoff ist mehrfacher deutscher Blitz-Einzelmeister und strahlt eigentlich immer die oben erwähnte Ruhe aus, aber in der Partie gegen Valentin Kuklin ging es selbst für ihn zu hoch her:

Zunächst stand Bischoff eindeutig auf Gewinn, aber der Böblinger suchte mit allerlei Opfern und taktischen Finessen nach Gegenchancen, die sich dann auch einstellten. Als Bischoff an einer Stelle um ein Haar in eine Mattfalle getappt wäre, war es um die Bierruhe des gebürtigen Ulmers endgültig geschehen, und er musste am Ende sogar froh sein, noch ein Remis zu ergattern.

SC Böblingen - SF Deizisau 1 : 3

BrettNameNameErgebnis
1Leko,Peter-Ortmann,David1 - 0
2Heimann,Andreas-Vujic,Branimir1 - 0
3Kozul,Zdenko-Tran,Thanh Kien½ - ½
4Keymer,Vincent-Schröter,Samuel½ - ½
SF Deizisau gegen SC Böblingen

SF Deizisau gegen SC Böblingen

Nahe an einem Teilerfolg war auch David Ortmann gegen Peter Leko, vor 14 Jahren hauchdünn im WM-Kampf gegen den bereits erwähnten Wladimir Kramnik unterlegen und noch immer der erweiterten Weltklasse zuzurechnen.

David Ortmann (links) gegen GM Peter Leko

David Ortmann (links) gegen GM Peter Leko

Am Ende beging Ortmann dann aber doch einen Fehler zuviel, und Leko, Spitzenbrett der Schachfreunde Deizisau, die am Ende auf Platz 3 landeten, konnte den Sieg zum 3:1-Mannschaftserfolg der schwäbischen Bundesligatruppe einfahren.

Ende gut, alles gut!

Von links: Mario Born, Ganokorn Ganser, Samuel Schröter, Valentin Kuklin, Hans-Peter Remmler, Branimir Vukic, David Ortmann, Siegfried Liebscher, Than Kien Tran, Zdravko Damjanovic

Von links: Mario Born, Ganokorn Ganser, Samuel Schröter, Valentin Kuklin, Hans-Peter Remmler, Branimir Vukic, David Ortmann, Siegfried Liebscher, Than Kien Tran, Zdravko Damjanovic

Ein Teilziel allerdings konnten die Böblinger immerhin sicher verbuchen: Gegen den Württembergischen Blitz-Mannschaftsmeister SK Bebenhausen gewannen die Böblinger nicht nur den direkten Vergleich mit 2,5:1,5, man landete auch in der Endtabelle ein paar Plätze vor Bebenhausen, das durch den familiär bedingten Ausfall seinen Spitzen-Blitzers Rudi Bräuning personell etwas geschwächt war.

Abschlußtabelle